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Unter der Treppe

Frühmorgens in den Duft frischer, feuchter Erde, nassen Steins und mit Tau verkleideten Grases gehüllt, verlor diese kleine, versteckte Nische hinter dem Haus meiner Grosseltern das Attribut eines kühlen Rückzugsortes ungefähr zur Mittagsstunde. Langsam drang die Wärme durch die schwere, grau-braune Waschbetontreppe und schien die sonst schon winzige Höhle unter der Terrasse beinahe zu erdrücken. Wir mussten uns geschickt darin zu bewegen wissen, meine Schwester und ich - wollten wir doch den brennenden Schmerz vermeiden, der auf eine Berührung der mittlerweile feuerheiss gewordenen Steine der Treppe oder auf ein Aufschürfen eines Armes an der grob verputzten, geradezu stacheligen Fassade des Hauses folgte. Trotzdem herrschte emsiges Treiben in der kleinen Nischenküche. Drecksuppen wurden angerührt, Schlammbrote gebacken, frische Kräuter und Gräser an einer faserigen Schnur getrocknet, welche den engen Raum wie eine Art Vorhang vom restlichen Garten abgrenzte. Sowohl unter den Füssen des kinderhohen, mit der Zeit eher braunen als weissen Plastiktisches, als auch unter den eigenen Füssen - ja sogar zwischen den Zähnen - knirschte eine Mischung aus Sand und Erde. Die Geräusche der Holzkelle, die immer wieder auf den Rand eines gelben Kunststoffkessels prallte, hallten bis weit in den Garten hinaus, obwohl das winzige und verwinkelte Volumen der Küche und deren mit bunten Spielzeugen, Plastikschälchen und schmutzigen Küchenutensilien überfüllte Ausstattung einen derartigen Klang eigentlich nicht zuzulassen schien. Am Boden häuften sich die Überreste unseres Küchenbetriebs: Zum Teil durch den schwarzen, zickzackartigen Schlagschatten der Treppe im Dunkeln versteckt oder durch den sanften Schatten der Kräutergirlande kaschiert bildeten Steine, Pflanzen und heruntergefallene Kochutensilien eine Art löcherdurchzogenen Teppich. Von Zeit zu Zeit zog sich über diesen Teppich hinweg, aus der Kochnische hinaus eine Schmutzwasser-, oder besser gesagt Suppenspur, die den Weg zu einem sorfältig fürs Essen aufgedeckten Tischchen andeutete: Essenszeit!
Basel, 2018