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Zwischen zwei Welten

Es ist Vormittags, schon fast Mittag und ich bin erst gerade erwacht. Das erste das ich wahrnehme sind die Geräusche aus der Küche, meine Mutter ist am kochen. Ganz sanft dringt der Geruch von Essen durch den Türspalt hindurch. Durch das angelehnte Fenster höre ich Maschinengeräusche, weit weg, ein regelmässiges Brummen, das in regelmässigen Abständen kurz leiser wird. Das muss der Traktor mit der Spritzmaschine im Rebberg sein. Da sind noch Stimmen, irgendwo ein Hämmern, ein Hund der bellt. In der Küche klirrt etwas und ich öffne meine Augen. Wenig über mir schwebt die Dachschräge mit den hellen Holzlatten. Die Astlöcher sind immer noch im gleichen vertrauten Muster wie immer. Da ist der süsse und doch auch modrige Geruch von Holz, von gebrauchtem Bett. Ich dreh den Kopf und erblicke das halb helle Zimmer. Durch die gekippten Fensterläden stechen gelbe Sonnenstrahlen in den Raum und lassen den Staub vom Teppich in der Luft tanzen. Ein grünlicher Schein der Läden wird an die Decke geworfen. Wieder der Traktor von draussen. Es ist warm, die Sommerluft vermischt sich mit der stickigen Luft vom Zimmer. Es wird ein heisser Tag. Mein Zimmer, eine Zeitkapsel, die Geräusche, Bewegung und Licht abgeschirmt, in der jedes Möbel, jedes Kleidungsstück genau am gleichen Ort verweilt, solange ich im Traumland wandle. Wenn ich aufstehe und die Fenster öffne, strömt das Leben und der Tag in einer Flutwelle durch das Zimmer und durch mich. Ich scheue mich, diese Schutzhülle des Zimmers aufzugeben und mich den prasselnden Sinneseindrücken von draussen auszusetzen. Die Wärme wird unerträglich, das Bett wird ungemütlich und das Licht und die Geräusche scheuchen mich auf. Ich kann doch nicht mehr warten, ich möchte nicht noch mehr verpassen von diesem belebenden Tag während ich in den starren, dunklen und einengenden Wänden des Zimmers hocke. Das Zimmer erdrückt mich und hält mich mit seiner behutsamen Schutzhülle vom Leben draussen fern. Ich halte es nicht mehr aus und springe auf, durch die kitzelnden Sonnenstrahlen hindurch und hinaus in den hellen Flur. Spätestens am Abend habe ich wieder genug von der Welt und kann mich in meine eigene vertraute Welt zurück ziehen. Gleichsam vertraut einhüllend wie auch beängstigend einengend.
Basel, 2018