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Fotodokumentation von videocity 2019 "Loneliness"

Screening am eBoard des Congress Center Basel:
Für das Screening hier am eBoard des Congress Center Basel haben die Kuratorinnen Andrea Domesle und Sophie Kauffenstein unter dem Titel “Loneliness” acht Videos ausgewählt. Es sind Videos, die von Schweizer und französischen Künstlern produziert wurden für eine Präsentation in Innenräumen. Durch das Aussetzen im Aussenraum erfahren die Werke eine Bedeutungssteigerung. Da es sich hier um einen speziellen Standort handelt, kann nachvollzogen werden, wie dieser unsere Interpretation beeinflusst.
Der Congress Center Basel ist das flächenmässig grösste Kongresszentrum der Schweiz, die Messehallen gegenüber bieten vielfältige Anlässe und ziehen Besucher aus der ganzen Welt an. Der Messeplatz ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Das eBoard dient als Wegeleitsystem und Werbemittel. Die quirlige Betriebsamkeit steht im krassen Gegensatz zum Thema des Screenings und pointiert dieses: Einsamkeit findet trotz der vielen Menschen, trotz der Informationsflut und trotz der edlen oder neuen Produkte statt. Die einsamen Situationen erscheinen noch trauriger, die tapfer sich abmühenden Einzelkämpfer wandeln sich zum Anti-Helden oder zur Superwoman, so will es ein Klischee.
--- Zu den Videos des eBoard Congress Center Basel und in der Mediathek FHNW
Der “Flagman” im Video von Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer (2004) gibt vorbeifahrenden Autofahrern Signale. Zeichen, die keiner befolgt. Niemand biegt, wie es seine Positionierung an einem Parkschild nahelegt, von der Strasse ab. Erst in der Wiederholung wird deutlich, dass nicht er es ist, der Zeichen gibt, sondern dass er auf die vorbeifahrenden Autos reagiert, also Zeichen empfängt und diese mit der Fahne deutet. Doch die Situation bleibt eine Einbahnstrasse der Kommunikation. Der Mann ist in der Endlosschleife des Videos zur Stetigkeit des Fahnenschwingens gefangen und gleichsam Sisyphus zur Wiederholung verdammt.
Die “Superwoman” von Theres Liechti (2017) versucht in der Heldenpose ihres männlichen Alter Egos über einen Gebirgszug zu fliegen und dem Gegenwind in Form von Frauenklischees Stand zu halten. Die bewusst simpel produzierte Animation mit einer Plastikpuppe zitiert kindliche Ästhetik und warnt vor einer Verharmlosung von Kindheitsprägungen.
Luzia Hürzeler agiert in einer Versuchsanordnung parallel zu einer Forelle im gleichnamigen Video von 2012. Beide befinden sich in je einem eigenen Aquarium, das einmal mit Luft, einmal mit Wasser gefüllt ist. Sie sind in ihrer Existenz gleichermassen bedroht, da ihre natürlichen Umgebung in dem Masse abnimmt, wie sie mit der feindlichen Materie zunimmt, bis sie einen nach Atem ringenden Kampf führen.
Dimension émotionnelle schafft ebenfalls ein menschlich-tierisches Paradoxon. Der Titel ihres Videos “Somniloquie du perroquet” (2012) heisst wörtlich übersetzt „Sprechen im Schlaf des Papageien“. Bekannt ist, dass Menschen, insbesondere Kinder, im Schlaf sprechen und sich darüber im wachen Zustand nicht bewusst sind. Papageien besitzen die Gabe, Wörter und gar Sätze nachzusprechen. Wie um diese absurde Situation zu verbildlichen, sind im Video Assemblagen von skurrilen Objekten aus Abfall zu sehen, die sich auf einem Präsentierteller um ihre eigene Achse drehen und in der Drehbewegung immer mehr von sinnvollen Zusammenhängen lösen.
“L’éclaireur” heisst soviel wie „Aufklärer, Kundschafter“. Gregory Buchert signalisiert in seinem Videotitel (2015) damit eine Person, die ihrer Zeit voraus ist. Zu sehen ist, wie ein Hosenanzug von der Strömung eines Flusses mitgetragen wird, die Haltung des „Toten Manns“ einnehmend, wobei ein menschlicher Körper schon gar nicht mehr vorhanden ist.
Frantiček Klossner konzentriert sich in “Mess up Your Mind” (2001/04) auf Mundbewegungen beim Ausatmen, in Zeitlupe wiedergegeben verlieren die Lippen ihre Funktion, Sprache zu artikulieren und werden zu einem eigenständigen Wesen.
Die Kamera von Paul Heintz fokussiert auf das Gesicht eines jungen Soldaten (2011). Nach einer Weile beginnt er zu weinen – der enge Bildausschnitt offenbart keinen Grund, doch der Soldat wird dadurch nicht in seiner Funktion sondern als Mensch gesehen.
Die meisten der hier versammelten Werke formulieren Skurriles, Unerklärliches, Unverständliches und zeigen so, dass Einsamkeit zur Verwirrung und zu absurden Situationen führen kann. Einzig das Video mit dem Soldaten steht der Realität am nächsten. Seine Gefühlsregung lässt sich zwischenmenschlich nachvollziehen, so dass man einen Grund für seine Tränen zu suchen beginnt.
--- Zum videocity.bs-Schaufenster des GLOBUS Basel
Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer reagierten mit der Gestaltung des videocity.bs-Schaufensters im GLOBUS Basel darauf, wie rund um Produkte Begehren dargestellt wird. Im Mittelpunkt ist ihr Video “Götter und Geister“ zu sehen. Es ist eine Montage aus “Unboxing“-Filmen, die sich im Internet grosser Beliebtheit erfreuen. In diesen Amateurfilmen präsentieren sich Selbstdarsteller dabei, wie sie etwas auspacken. Das Künstlerduo reiht mehrere Sequenzen, die auf die Hände von Unboxern fokussieren, aneinander, ohne ein einziges Produkt zu zeigen. Dabei erhält die Ware einem Kultobjekt gleich Seelenpräsenz, obwohl noch verborgen. Im Auspacken kann man Gefühle der Verführung und Momente des Beschwörens entdecken. Ist Unboxing das neue Ritual? Ein Ritual, in dem die Unboxer die “höheren Wesen“ der Ware in quasi magischen Handlungen wecken und diesen Glücksmoment mit vielen Anhängern teilen?
--- videocity.bs-Präsentationsexperiment
Obwohl die Videos unabhängig und eigentlich für einen Kunstraum entstanden sind, ist es bei videocity.bs spannend zu erleben, welche Herausforderung die Grösse der elektronischen Werbetafel, das Schaufensters des GLOBUS Basel sowie der öffentliche Raum stellen: Welchen Einfluss hat das quirlige Treiben des Messeplatzes und des Marktplatzes mit den vielen Passanten und dem dichten Verkehr auf die Wahrnehmung der autonomen Kunstwerke? Das Leben verstärkt die Faktoren Bewegung und Raum in den Videos.
Dies kann zu einer optisch räumlichen und zeitlich mentalen Erweiterung des digitalen Bildraumes führen.
Die Videos werden im Stadtraum ohne Ton gezeigt. Der Sound der Strasse ergibt die Tonspur oder ersetzt eine allfällige. Zufälle des Alltags – bestehend aus Geräuschen und Spiegelungen – greifen in die Kompositionen ein, sie pointieren oder vermindern einzelne Momente und verschieben somit Aussagen der Künstler. Die Videos erscheinen im Aussenraum in neuem Licht.
Umgekehrt werfen die Videos einen neuen Blick auf den Alltag bzw. kommentieren diesen, denn sie wurden in Bezug zum Präsentationsstandort ausgewählt.
Ganz anders ist die Wahrnehmung in der Mediathek: Hier wurden die Videos mit ihrer Tonspur gezeigt (5 der Videos haben Ton, 3 haben keinen). Es ist eine traditionelle Video- Präsentationsweise mit Monitor, Kopfhörer und Sitzen. Besucher können die Unterschiede hier im Vergleich zur Rezeption aussen überprüfen. Und dies ganz entspannt in einem konzentrierten, stilvoll gestalteten Studienambiente, von wo aus man einen herrlichen Ausblick auf Basel und das Umland hat.
Andrea Domesle
Werk
2019
https://hdl.handle.net/20.500.11806/med/10345


   ---  Abgebildete Videos des eBoards, Congress Center Basel und in der Mediathek FHNW:

Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer
“Flagman”, 2004
2:10 Min. (videocity.bs Version)

Gregory Buchert
“L’éclaireur”, 2015
9 Min.

Dimension émotionnelle
“Somniloquie du perroquet”, 2012
10 Min. (short version)

Luzia Hürzeler
“Die Forelle” (The trout), 2012
7:45 Min. (videocity.bs Version, 1-Kanal, 16:3, Split Screen)

Paul Heintz
“Le Soldat”, 2011
4:30 Min., ohne Ton

Frantiček Klossner
“Mess up Your Mind”, 2001/04
4 Min.

Theres Liechti 
“Superwoman”, 2017
4:19 Min., ohne Ton

Elodie Pong
“180 degree”, 2016
2:30 Min., ohne Ton


--- Abgebildete Videos beim videocity.bs-Schaufenster des GLOBUS Basel:

Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer
“Götter und Geister”, 2019
HD Video
4:10 Min. (videocity.bs Premiere)


--- Ortsspezifische Installation an den Medienfassaden der Neuen Messe, Halle Nord und Halle Süd, Messeplatz (2 LED-Bänder und 3 eBoards) mit folgendem Kunstwerk:

Sebastian Mundwiler
“eppur si muove No. 3”, 2019
Loop (videocity.bs Auftragsarbeit)

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Full spec

CallNumber
2331508-5925
DateAdded
2022-04-12T10:08:01Z
DateModified
2024-06-27T10:16:29Z
Handle
20.500.11806/med/10345
Key
3R42GBQ4