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Das Grosse Gras
Als Kind kam er mir riesig, wild und verwunschen vor. So viele Abenteuer ließen sich dort erleben. Rundherum verlief ein Streifen wild wachsender Pflanzen, Büsche und Bäume. Die wichtigsten Bäume waren für mich: die Klettertanne (zum klettern und Nachbarn erschrecken oder Detektiv spielen), die Zierkirsche (weil sie so wunderbar pink und rosa blüht), der Walnussbaum (weil es ein Wunder war, verzehrbare Nahrung zu finden), die Lärche (weil sie im Herbst erst wunderschöne Farben hat und dann alle Nadeln verliert, bevor sie hellgrün nach treibt) und die Kiefer (weil sie riesig und unglaublich imposant war). Am Ende des Gartens, wo der Rasen hin zur Straße abfällt, waren dichte Büsche in denen man sich wunderbar verstecken und „Tunnel“ bauen konnte. Im Sommer wuchs das Gras immer so hoch, dass wir uns auch darin verstecken und „Wege“ bauen konnten. Ich war, zusammen mit meiner Schwester und Freunden, sowie anderen Kindern aus unserer Straße, bei jeder Jahreszeit und jedem Wetter im Garten unterwegs. Wir bauten Hütten aus Ästen und Lager aus Sperrmüll unterm Balkon, beobachteten Tiere, fingen Grashüpfer und Eidechsen. In unserer Phantasie waren wir in unterschiedlichen Welten unterwegs und der Garten lieferte immer den perfekten Ort in der realen Welt, da er so vielgestaltig sein konnte und es für uns verschiedene Plätze mit verschiedenen Funktionen gab. Etwa auch der Nachbargarten, der ein Schrebergarten war. Dort war nur selten jemand und der Zaun an der Grundstücksgrenze etwas heruntergebogen, sodass wir oft hinübergingen um Kirschen, Träuble oder Himbeeren zu pflücken. Unser Garten war ein Ort, an dem man alles durfte und der Phantasie keine Grenzen gesetzt waren und trotzdem war er sicher und beschützend.
Basel, 2019