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Il rustico

Ich erinnere mich an einen Raum, gross und ohne Grenzen, aber doch so klein und gut behütet. An diesem Ort befindet sich unser Steinhaus, auf tausend Metern Höhe in den norditalienischen Bergen. Rundherum wuchert der dichte Wald. Im Hintergrund thront die massive Bergkette des Monte Gridone.
Rund ums Haus riecht es nach frisch gemähtem Gras. Die Grillen zirpen und die Sommerhitze lastet schwer auf den steilen Hängen des Valle Cannobinas. In der Ferne hört man eine Motorsäge friedlich vor sich hin brummen. Es riecht auch ein bisschen nach Schweiss, da mein Vater gerade mit Mähen fertig ist und seine Schutzkleider vor sich auf die, von der Hitze aufgewärmte Steintreppe neben den Holzstall legt.
Das Innere des Hauses bringt Abkühlung. Wenn man die Wände berührt sind sie trotz der sommerlichen Hitze angenehm kühl. Auch meine beiden Brüder kommen vom Herumstreunern im Wald zurück und lassen sich ausser Atem auf die roten Holzklappstühle fallen.
Vor dem Haus stehen vier grosse gelbe, vom Licht ausgebleichte Sonnenschirme, die man mit dem Feldstecher sogar von der anderen Talseite aus sehen kann. Neben der Terrasse in der Feuerstelle steht auf einem Dreibein ein grosser, vom Russ angeschwärzter Topf, in dem Etwas vor sich hin brutzelt. Meine Mutter steht dort. Ein Bein erhöht auf einer Steinplatte, den Oberkörper vorgebeugt, um mit einem langen Kochlöffel im Topf zu rühren. Eine Mischung aus Dampf und Rauch steigt in den stahlblauen Himmel empor.
Fortsetzung: Ich stelle mir vor, wie ich, unterhalb des Hauses, am Hang stehe. Es ist Nacht. Ich schaue bergaufwärts und sehe durch die kleinen, in den Stein eingelassenen Fenster ein gelblich warmes Licht schimmern. Es ist bitterkalt draussen. Ob das wohl das Kerzenlicht ist, welches sein feines Flackern an die Innenseite der Wände wirft? Die Wärme zieht mich an, also renne ich, so schnell ich kann, den Berg hinauf, um kurz danach meine eingefrorenen Finger vor dem Holzofen wieder aufzuwärmen. Gut behütet und beschützt durch die dicken Steinmauern, fühle ich mich wieder etwas behaglicher. Der dunkle Wald und die über dem Tal lastende Stille der Nacht waren wohl doch etwas unheimlich.
Basel, 2019