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Durch die Wand

Immer wieder gehe ich, von der Neugier getrieben, die grauen Steinstufen der Wendeltreppe hinunter. Es ist leicht feucht und ich merke wie es kühler wird. Ein weiches Licht wird durch die Fenster der grossen Holztür auf den breiten Gang geworfen. Links ist der Heizungsraum in dem sich auch die Werkstatt meines Vaters befindet. Die Werkstatt hat keine Fenster. Gleich neben der Türe befindet sich der Lichtschalter. Das Licht macht den Blick auf zwei, etwa gleich grosse hintereinander liegenden Räume frei, die nur durch einen leeren Türrahmen getrennt sind. Im ersten Raum steht auf der rechten Seite der grosse, runde, rote Heizkörper. An der linken Wand steht ein Arbeitstisch der sich über die gesamte Länge erstreckt. Im dahinter liegenden Raum stehen ebenfalls an der linken Wand Arbeitsbänke, an den übrigen Seiten Regale und Schränke welche mit aller Arten von Nägeln, Schrauben, Werkzeugen, Farbtuben und Dosen gefüllt sind. In der hintersten Ecke des Raumes steht einsam das Windrad, welches mein Grossvater gebaut hat. Ein aus Holz geschnitzter Mann in der Hand eine Säge, darunter ein Baumstamm. Ich wünsche mir schon lange, dass mein Vater das Windrad repariert und stelle mir vor wie wir es dann nach oben ans Licht bringen und im Garten einen Platz suchen.
Die Werkstatt ist wie immer ziemlich ordentlich und sauber. Auf dem Holzbank liegen verstreut die einzelnen Teile eines Segelflugzeuges. Ich bewundere die schönen Formen, möchte es berühren und hochheben, getraue mich aber dann doch nicht. Alleine fürchte ich mich immer ein wenig hier unten. Dies liegt auch an dem schwarzen Loch das im hinteren Teil der Werkstatt in der Wand klafft. Ein langer Tunnel der in der Finsternis nach oben verschwindet. Ich male mir aus, wie ich am anderen Ende etwas hinein werfe und es dann unten in der Werkstatt heraus geschossen kommt. Oder noch besser, wie ich selbst durch das Loch rutsche und Pechschwarz unten wieder hervor komme. Von meinen Eltern weiss ich dass der Tunnel früher für den Transport von Kohle benutzt wurde. Ich bücke mich und schaue ob ich ein Licht am Ende sehen kann.

Ich bin im Tunnel. Langsam taste ich mich durch die Dunkelheit. Die Wände sind glatt und kalt. Ich taste mich vorsichtig den verwinkelten Gang entlang und gelange immer tiefer in die Wand hinein. Ich erkenne weit in der Ferne ein Licht welches das Ende des Tunnels und den Anfang eines neuen, mir noch unbekannten Raumes bedeutet. Dieser neue Raum ist offen für meine Fantasien und Träume. Er wandelt sich stetig, je nachdem was sich mein kindliches Gehirn ausmalt. Geschichten und Bilder die in vielen unterschiedlichen durchsichtigen Blasen vor mir entstehen. Hier richtet sich die Zeit nach meinen Vorstellungen. Mit meiner Fantasie formieren sich die Blasen stetig neu und somit auch der gesamte Raum. Ich stehe inmitten von mir geschaffenen Bildern, staunend und überrascht, über all die Möglichkeiten die sich mir eröffnen.
Basel, 2013