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Muttertier

Zusammen abgeschottet von der Aussenwelt. Niemals alleine. Immer geschützt von den dünnen Laken, die wir über Stühle, Tische und Sonnenschirme drapierten. Wir bauten uns eine Höhle, einen vertrauten Unterschlupf, in deren Geborgenheit wir uns in alle Richtungen entfalten konnten. Kein Müssen, nur wollen. Wir schufen uns ein Zuhause, einen Raum, aus dem in zwei oder drei geschickten Handgriffen fünf Räume wurden. Ein Labyrinth dessen Konzept nur uns bekannt war.
Es roch nach frisch gemähtem Gras und Apfelschnitzen. Wir hörten den Vögeln über uns zu, die wir nicht sehen konnten. Beobachteten die kleinen Käfer und Schnecken welche unfreiwillig zu unseren Mitbewohnern wurden. Oder wir zu ihren.
Der Wind zerrte ab und an an unserem Zuhause und liess die Laken flattern. Wir beobachteten die Bewegung der Stoffe im Wind und bewunderten deren Wandelbarkeit. Unser Haus atmete, verdrehte und beugte sich mit der Natur um es herum. Wir ignorierten die Rufe von draussen, hörten nur unser eigenes Lachen und fürchteten uns vor der kindlichen Wut und Böswilligkeit der Anderen. Sie konnten unsere Idylle in nur wenigen Sekunden in ihre Einzelteile zerfallen lassen. Lediglich das eiserne Skelett, der Kern unseres Gebildes, konnte dieser Kraft trotzen.
Manchmal liessen wir die Sonne rein, aber meist nur unfreiwillig. Lieber liessen wir sie die Laken und Decken von aussen erhellen und uns in einen farbigen Kokon hüllen. Wir waren in lila Licht gehüllt, manchmal in gelbes, selten in blaues. Je nach Waschtag. Wir vergassen die Zeit, und während wir einander unsere Geheimnisse anvertrauten, kehrte langsam die Dämmerung ein. Sobald die Sonne zu schwach wurde, platzierten wir eine Laterne in der Mitte unseres temporären Zuhauses und liessen es von Innen erstrahlen, wie ein gigantisches Glühwürmchen in der Nacht.
Basel, 2020
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