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Die ewigen Adventstüren auf dem Julier

Das uralte Posthotel am Julierpass sitzt ungewollt zwischen Hang und Strasse. Das Haus scheint den Betriebsschluss erahnt zu haben, und ab da an aufgehört auf sein Äeusseres zu achten.

Jedes Jahr scheint das Haus zu trotzen. Die Türe lässt sich schwer öffnen. Dieses Verhalten erinnert an Grosseltern, die uns jedes Mal ein schlechtes Gewissen aufschwatzen wollen: „Wir sollten doch mit unserem Kommen ja nicht länger warten, denn bald könnte unsere letzte Stunde schlagen“. Brummt man ihnen eine Entschuldigung entgegen, öffnet sich die Türe, der Vorwurf wird bis aufs weitere vergessen und ihre Gastfreundschaft umgibt einem.

In diesem Fall verschluckt uns die Dunkelheit. Doch wie nach einer Pause in der Oper dient die Dunkelheit dazu, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer*innen wieder dem Stück zu widmen. Bedient man den Lichtschalter, kommt der schwere Steinboden zum Vorschein. Im Kontrast zum Boden blickt man auf eine gwölbte, weisse Decke. Der Eingang ist nach hinten langgezogen, geschmückt wird er von den grün lackierten Türen, die sich links und rechts vom Gang wie auch in den weiteren Stockwerken aneinanderreihen. Begleitet werden die Türen von weissen, kugelrunden Glühbirnen in goldenen Fassungen. Wie beim Adventskalender verbirgt sich hinter jeder Türe eine Ueberraschung, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Bei unseren Besuchen haben wir Kindern uns immer wieder die Zeit genommen, die individuellen Inhalten und Geschichten jeder grünen Adventstür zu entdecken. Die ersten drei Stockwerke wurden nicht geheizt und haben zudem den grauen und schweren Steinboden. In diesen verlassenen Etagen kamen uns die Zimmer unheimlich vor. Oftmals hatten wir nur den Mut die Türe einen Spaltbreit zu öffnen, hineinzuspähen um sie dann schnellstmöglich wieder zuzuschliessen. Unter den Fenstern sammelten sich die toten Fliegen. Je weiter man jedoch die Treppe hinaufstieg, desto wärmer, heller und freundlicher wurde die Atmosphäre. Die vertrauten Stimmen unserer Eltern, die sich in der obersten Küche aufhielten, wurden immer deutlicher. Der raumfüllende Duft des Abendessens breitete sich um unsere Köpfe aus und lies uns Kindern zur Ruhe kommen.
Basel, 2020