Licht gräbt
Ich erinnere mich gerne zurück an die Zeit, als wir noch keine Treppe hatten und mehrere Leitern die einzelnen Etagen verbanden. Ohne Treppe mit dem großem Loch entstand ein ganz neuer Raum. Unser ganzes Haus wirkte wie eine vertikales Loft, alle Zimmer waren zu einem großen Ganzen verbunden. Zu dieser Zeit war noch nicht viel Licht im Haus, aber mit dem neuen Freiraum im Zentrum schien das Licht wie ein langer Pfeil nach unter gebündelt zu strahlen, somit konnte man bis ganz hinauf blicken. Das Licht hatte im sonst dunklem Haus etwas Goldenes und Vielversprechendes, eine Andeutung an etwas Bevorstehendes. Es hat das mir noch unvertraute Haus Stück für Stück so beleuchtet und ausgeleuchtet, dass ich mich hinein getrauen konnte.
Es roch nicht besonders gut, so wie alter Dachboden (in dem man noch viel entdecken kann), aber ab und zu kamen Luftstöße von außen durch Löcher im Gemäuer und brachten frische Luft mit.
Überall lag Bauschutt herum, Staubpartikel flogen in der Luft umher und verstärkten den mystische Eindruck, so dass man schnell vergessen konnte, dass man mitten in einer Baustelle stand. Wenn man mit den Fingern an den Wänden entlang strich, konnte man mehrere poröse Ebenen übereinander geklebter Tapeten ertasten und ab und zu auf Zehenspitzen stehend in Löcher in der Wand hinein schauen und auf eine altertümliche Strohdämmung sehen.
Man würde denken, dass der Baulärm mich vielleicht aus dieser Traumwelt gerissen hätte, aber es war anders herum. Die Klopf-, Bohr-, Schleif- und Baggergeräusche wirkten für mich im Hintergrund und nahmen eine fast beruhigende, sichernde Rolle ein: Es war immer jemand in meiner Nähe, der mir helfen konnte, ich war nie wirklich allein. Ich erinnere mich noch, wie ich mit Seilen gesichert, zuerst vorsichtig und später ganz selbstverständlich die wackligen Holzsprossen der Leiter rauf und runter turnte.
Basel, 2015