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GESCHLECHT MACHT GESTALTUNG – GESTALTUNG MACHT GESCHLECHT. Der Entwurf einer machtkritischen und geschlechterinformierten Designmethodologie.

Ausgehend von der Kritik an der bestehenden entweder geschlechterstereotypen oder geschlechtsblinden Gestaltungspraxis und anschließend an den zentralen Diskurs in der Designforschung, inwieweit Design als wissenschaftliche Disziplin verstanden und etabliert werden kann, geht die vorliegende Arbeit dem Wechselverhältnis zwischen Geschlecht und Gestaltung aus einer macht- und geschlechterkritischen Perspektive nach. Sie arbeitet anhand von Erkenntnissen und Ansätzen der Genderforschung, der feministischen Wissenschafts- und Technikkritik sowie daraus resultierender feministischer Wissenschafts- und Erkenntnistheorien die Grundlagen für eine machtkritische und geschlechterinformierte Designforschung und -praxis heraus. Dabei wird Geschlecht als historisch gewachsene, zeit- und kontextgebundene, damit veränderbare und gestaltbare Macht- und Erfahrungskategorie begriffen, die alle Wissenschafts-, Forschungs-, Gestaltungs- und Nutzungsprozesse durchdringt und auch in die Designforschung und -praxis grundlegend mit einzubeziehen ist.
Anhand von Fallbeispielen wird illustriert, dass sowohl die bewusste Berücksichtigung von Geschlecht bzw. von vermeintlich unterschiedlichen Präferenzen von Frauen und Männern als auch unbewusste Vergeschlechtlichungen durch den Anspruch, für alle zu gestalten, problematisch sind. Beide Forschungs- und Gestaltungsrichtungen unterstützen bestehende geschlechtliche Ungleichheitsverhältnisse, in denen Frauen weiterhin Männern unterstellt sowie Menschen anderen Geschlechts ausgeschlossen sind.
Die aus den eingangs benannten Erkenntnissen und Ansätzen hergeleitete Designmethodologie etabliert Design als erkenntnistheoretisch fundierte Wissenschafts-, Forschungs- und Praxisdisziplin, die eine macht- und geschlechterkritische Perspektive während des gesamten Designforschungsprozesses unter Einbezug der Nutzung in realen Gebrauchszusammenhängen systematisch integriert. Dabei wird sowohl das Verhältnis zwischen DesignforscherInnen, DesignerInnen und NutzerInnen und das darin eingelassene Machtverhältnis problematisiert als auch die aktive Rolle bzw. der Einfluss von Artefakten auf die Handlungs- und Geschlechterkonfigurationen innerhalb der Forschungs-, Gestaltungs- und Aneignungsprozesse thematisiert, wie es von feministisch-posthumanistischen Ansätzen nahegelegt wird. Folglich richtet sich der hiesige Fokus auf die Untersuchung der mikrosozialen Macht- und Geschlechterverhältnisse, wie sie sich zwischen DesignforscherInnen, DesignerInnen, NutzerInnen und Artefakten unter Einbezug übergreifender Macht- und Geschlechterstrukturen ergeben, in die sie eingebettet sind. Anhand von feministischen Wissenschafts- und Forschungskriterien werden darüber hinaus bestehende Gestaltungsansätze identifiziert und dahingehend diskutiert, inwieweit sie sich für eine macht- und geschlechtergerechte Designforschung und -praxis eignen.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Technikentwicklung, da die benannten Erkenntnisse und Ansätze bereits in die sozialwissenschaftliche Technikforschung, die feministische Technikkritik und auch in technische Gestaltungsfelder wie beispielsweise die Informatik, die Mensch-Maschine-Interaktion, die Robotik oder Künstliche-Intelligenz-Forschung mit eingeflossen sind. Am Beispiel dieser Wissens- und Gestaltungskontexte lassen sich die Konsequenzen macht- und geschlechterkritischer Sichtweisen für Forschungs- und Gestaltungsprozesse exemplarisch nachvollziehen sowie auf andere Designbereiche wie beispielsweise das Produkt- bzw. Industriedesign übertragen. Folglich basiert die Arbeit auf einem disziplinenübergreifenden Designverständnis.
Das Ergebnis ist eine machtkritische und geschlechterinformierte Designmethodologie, die – in Anlehnung an den agentiellen Realismus Barads und seiner Übersetzung für Gestaltungkontexte nach Suchman – Designforschungsprozesse jedweder Art und daran anschließende nutzerische Gestaltungsprozesse als dynamische Grenzziehungsaktivitäten begreift und als Intraface- und Intraaktionsdesign beschreibt, das die Handlungsverhältnisse und Geschlechterzuschreibungen bzw. das, was am „Intraface“ ein- und ausgeschlossen wird sowie als Subjekt oder Objekt, Mensch oder Maschine, Mann oder Frau etc. in Erscheinung tritt, sozial und geschlechtergerecht zu beeinflussen gedenkt. Die Methodologie formuliert darüber hinaus konkrete Empfehlungen – die sogenannte „feministische Checkliste“ –, derer sich DesignforscherInnen und -praktikerInnen bedienen können, um ihre Entscheidungen während der Forschungs- und Gestaltungsprozesse sowie deren Konsequenzen in anschließenden Nutzungsprozessen nach macht- und geschlechtergerechten Kriterien zu reflektieren, organisieren und evaluieren.
Berlin, 2016
https://opus4.kobv.de/opus4-udk/frontdoor/index/index/docId/997