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Toiletten und Urinale für Frauen und Männer

Form, Funktion und Nutzung von Toiletten und Urinalen in privaten und öffentlichen Bereichen sind die Themenfelder, die den Rahmen der Arbeit bilden. Beide Sanitärobjekte sind formal und funktional hochgradig typisierte Gegenstände. Dabei ist ihre formale Vereinheitlichung ganz offensichtlich: Toiletten sind sitzhoch, das meist weiße Aufnahmebecken ist oval und auf dem waagerechten oberen Rand liegt ein Sitzring auf. Auch die Urinale für Männer sind formal vereinheitlicht: Das ovale Aufnahmebecken ist nach vorne angeschrägt und wird jeweils so befestigt, dass es im Stehen benutzt werden kann. Die funktionale Vereinheitlichung beider Sanitärobjekte ist weniger eindeutig. Sie betrifft bspw. die Koppelung mit Spülsystemen und der Kanalisation, sowie die Standardisierung der technischen Anschlüsse. Vor allem aber zeigt sie sich darin, dass gleichartige Toiletten (und Urinale) in den unterschiedlichsten Bereichen von Benutzern mit ganz verschiedenen Nutzungsgewohnheiten verwendet werden sollen. Im Kapitel "Toilette als Objekt" wird nach den einzelnen Schritten der Produktentwicklung gefragt, die zur konstatierten Standardisierung der Toilette führte. Dabei zeichnet sich ein ganz unbekanntes Bild dieses Alltagsobjekts ab, denn bis um 1900 waren eine Vielzahl von unterschiedlichen Toiletten und Aufnahmegefäßen in Gebrauch. Die beiden wesentlichen Gründe für die Standardisierung waren die Anbindung der Klosetts an die Kanalisationssysteme, die in der 2. Hälfte des 19. Jhs. gebaut wurden und für die zahlreiche technische Normen entstanden, sowie die zunehmende Intimisierung der körperlichen Verrichtungen, die schließlich auch dazu führte, dass die dabei verwendeten Objekte nicht nur in möglichst abgeschlossene, entlegene Bereiche der Wohnungen verlegt wurden, sondern auch an sich nicht mehr als zu gestaltende Gegenstände verstanden wurden. So wies Freud in seinem Vorwort zum "Buch des Unrats" (J.G. Bourke) darauf hin, dass derjenige, der sich mit diesen Dingen beschäftigt, "als kaum weniger >unanständig< gilt, wie wer das Unanständige wirklich tut". Weitere Themen des ersten Kapitels sind die Standardisierungsprozesse in der Grundrissgestaltung, d.h. die Veränderungen der tradierten Regeln, wo Toiletten im häuslichen Gefüge untergebracht werden. Außerdem werden die wenigen alternativen Toilettenentwürfe des 20. Jhs. vorgestellt, zu denen auch mehrere, teilweise unveröffentlichte Entwürfe von Le Corbusier gehören. Das Kapitel endet mit einem Exkurs, bei dem ein Artikel von Le Corbusier, dem er die Abbildung eines Bidets voranstellte, in Bezug zu Duchamps "Fountain", die ja ein Urinal ist, gesetzt wird. Im Kapitel "Objekt und System" wird die Vernetzung der Toilette mit urbanen Infrastrukturen dargestellt. Gerade anhand der allg. Einführung von Klosettanlagen im Straßenraum wird ein Wandlungsprozess erkennbar, bei dem die bis vor der Einführung der Kanalisation noch individuellen Methoden bei der Handhabung von Exkrementen in eine öffentliche Aufgabe transformiert wurde. Wie bei den häuslichen Toiletten kann also auch bei den öffentlichen Bedürfnisanstalten die sozial geprägte Haltung zu den körperlichen Verrichtungen abgelesen werden. Neben der offensichtlichen Funktion kommt den Anlagen im öffentlichen Raum eine weitere zu: Sie schaffen eine Verbindung zu den unterirdischen urbanen Systemen, d.h. durch sie zeigt sich Kanalisation im Straßenraum. Im Zusammenhang mit den öffentlichen Bedürfnisanstalten wurde das Urinal zum Gegenstand der Untersuchungen. Die ersten öffentlichen sanitären Einrichtungen waren Pissoirs, die nur von Männer benutzt wurden. Urinale wurden also (im Unterschied zur Toilette) von Anfang an geschlechtsspezifisch gestaltet und benutzt. Wenn Urinale speziell für Männer hergestellt und installiert wurden, warum gab es dann nicht auch Urinale für Frauen? Von dieser Fragestellung ausgehend, werden im Kapitel "Frauenurinale" einerseits die Fundstücke der Recherche zu diesem "vergessenen" Sanitärobjekt vorgestellt und andererseits die Ergebnisse der eigenen Forschungstätigkeit und gestalterischen Praxis hinsichtlich eines angemessenen Sanitätobjekts speziell für Frauen, das in öffentlichen Bereichen installiert wird, gezeigt. Der letzte Themenbereich der Arbeit hat die Auswirkung der Bekleidung auf die Abläufe der Ausscheidungsvorgänge und auf die Benutzung der Sanitärobjekte zum Inhalt. Dabei werden nicht nur Kleidungsstücke für Erwachsene genauer betrachtet, sondern auch die Kinderbekleidung. Dazu gehört u.a. die Windel, die erst zu Beginn des 20. Jhs. gebräuchlich wurde. Eine Schlussfolgerung der Betrachtungen dazu ist, dass die Windel, die mittlerweile ein hochtechnisiertes Produkt ist, als ein Trainingsobjekt für die später zu benutzenden Sanitärinstallationen fungiert.
2004
https://opus4.kobv.de/opus4-udk/frontdoor/index/index/docId/8


Full spec

AccessDate
2021-03-24T10:45:50Z
DateAdded
2021-03-24T10:45:50Z
DateModified
2021-08-10T09:06:05Z
Key
FZ5WJKK7
Language
deu
LibraryCatalog
opus4.kobv.de
Rights
Open Closed
ThesisType
PhD
University
Universität der Künste Berlin