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Material: 50 kg–Sack Zucker, Stab, Seile, Industriekran

Textausschnitt von Helge Meyer, aus Bucher, Claudia;s Monografie „Vom Rieseln und Rinnen“, 2007:
…In „Ladung“ ist der Zucker in einem riesigen Sack am Kran der Industriehalle verwahrt und wird von Bucher unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft an einen Ort im Raum gezogen. Mit einem langen Stab, an dessen Ende sich ein spitzer Gegenstand, einem Bajonett gleich, befindet, löst die Künstlerin die Unversehrtheit des „Zuckerblocks“ auf und startet mit der Geste des Öffnens den Prozess der Performance. Der Zucker wird erst von seinem angestammten Leib (dem hängenden Sack) in Buchers Leib (den geöffneten Mund) überführt.
Sie lässt die rieselnde Masse in ihren Mund fließen, bis ein „Zuviel“ an Süße sie würgen lässt. Zusätzlich bildet der rinnende Zucker vulkanartige Kegel am Boden. Ihr Würgen entzaubert die erste eindrückliche Schönheit: Etwas ist nicht in Ordnung.

Bis sich Buchers Stechen und Bohren in einer völligen Zerstörung der Installation entlädt, durchläuft die Performance einen Prozess ständiger wiederkehrender Aggression gegen den hängenden Zuckersack, wobei jedoch immer wieder Bilder assoziativer Schönheit durch das unterschiedlich intensive Rinnen des Zuckers entstehen…
Turbinenhalle Giswil, Giswil, 2005
https://claudiabucher.com


Additional

ganzer Text von Helge Meyer, aus Bucher, Claudia;s Monografie „Vom Rieseln und Rinnen“: Vom Rieseln und Rinnen – Gedanken zum performativen Werk von Bucher, Claudia; –- Wenn uns ein Bild wirklich berührt, ist es zuerst einmal nicht wichtig, in welcher Dimension es uns begegnet. Wir sind gefesselt, berührt oder angesprochen und vertiefen uns in das Gesehene. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen Bildern: Wenn eine Künstlerin in einen Dialog mit dem Anderen tritt, indem sie malt, eine Skulptur schafft oder einen Film dreht, ist sie selbst nicht anwesend. Wir begegnen nur dem Werk. Oftmals erfährt der Betrachter wenig über die Ausdehnung der Künstlerpersönlichkeit in einen tatsächlichen menschlichen Körper, der irgendwo in einem Raum und in einer Zeit existiert wie der Zuschauer selbst. Die Werke bleiben der alleinige Verbindungspunkt zwischen Publikum und Erschaffer. Wenn eine Künstlerin Räume erschafft und performativ mit Leben füllt, will sie sich in einer Welt bewegen, deren Gestaltung ihrer Wahrnehmung etwas Neuartiges, etwas Fesselndes hinzufügt. Diesen Prozess will sie nicht allein erleben. Sie will den Betrachter mitnehmen in etwas Einzigartiges, das so vorher noch nicht in der Welt war und das vielleicht nach einem kurzen Aufscheinen in einer intensiven Präsenz auch wieder für immer aus dem Hier und Jetzt verschwindet. Vielleicht braucht sie sogar die besondere Energie, die eine Livesituation zwischen einem Künstler und seinen Zuschauern herstellen kann. Je intensiver die sinnlichen Eindrücke dieser performativen Raum-Zeit-Körper-Bilder gesetzt sind, desto tiefer bleibt etwas zurück im Betrachter und im Künstler selbst. Bucher, Claudia; muss intensiv arbeiten. Es ist ihr ein innerer Drang, sich immer wieder selbst zu fordern, zu fesseln und zu überraschen. Dabei bewegt sie sich sowohl im zweidimensionalen Erschaffen von Zeichnungen und Grafiken, als auch im Kreieren von Räumen und lebenden Bildern in ihren Performances. Ich möchte mich hier auf ihre Aktionen in den von ihr selbst geschaffenen Räumen im Hier und Jetzt beziehen. In der Performance fallen Herstellung und Wirkung des Bildes im performativen Ereignis zusammen. Der Zuschauer ist in absoluter Präsenz mit dem Entstehungsprozess des Bildes durch den Performer verbunden. Sein Leib ist teilweise gar verschiedensten sinnlichen Empfindungen wie Geruch oder Geschmack ausgesetzt, sofern die Performer dies intendieren. Daraus ergibt sich ein Potenzial von Empathie und Wirkungsintensität, dass andere Kunstformen meiner Auffassung nach vermissen lassen. Die Welt der Performances von Bucher, Claudia; ist geprägt von sinnlichen Sensationen und Materialien, die fließen, tropfen, rinnen, rieseln oder quillen. Hier offenbart sich bereits in der Wahl der Begriffe zur Beschreibung der simplen Abläufe in ihren Bildern eine poetische Kraft von satter Lebendigkeit. Von einer eigenen Welt zu sprechen, scheint mir angemessen, angesichts der Originalität, die Bucher in ihren Aktionen zur Präsenz bringt. Die Performerin hat in ihren Aktionen eine Art Persona erschaffen, die zwischen rituellem Handeln und kontemplativen Warten zu changieren scheint und dabei eine Vielzahl von Assoziationen auszulösen vermag: Da ist die immer wiederkehrende Geste des knienden Verharrens, wenn Bucher in ihren Performances dem Fliessen und Rieseln des oftmals verwendeten Zuckers zusieht. Mit dieser Ruhe und dem Zulassen der eigenen Wahrnehmung des Raumes, den sie selbst erschaffen hat, lässt Bucher auch dem Betrachter die Zeit, die er braucht, um echte Wirkung erleben zu können. Henri Bergson äußerte sich in Bezug auf die Wahrnehmung, indem er schrieb, er müsse „das Schmelzen des Zuckers erst abwarten“. Die Veränderung der Seinsweise des Zuckers ist so nur im Prozess der Dauer denkbar. Gerade in dieser Dauer geschieht die Wahrnehmung, die echte Wesensunterschiede offenbart. Bucher, Claudia;s Performances brauchen ihre Dauer und sind auch nur als Prozesse in der Zeit denkbar, um wirken zu können. In der Arbeit „Zuckertaschen“ (2003) wird ein Dachboden zu einer Landschaft aus Gazetüchern voller Zucker und Beeren, die wie stürzende Lebewesen von der Decke zu eilen scheinen. Darunter ein Arsenal von Handtaschen, in die die Masse aus rieselndem Zucker und quillendem Saft läuft, nachdem Bucher die Gazelebewesen durch das Befüllen „erweckt“ hat. Der Ort ist kein einfacher Dachboden mehr. Er ist eine eigene Welt aus seltsamen Flugwesen .. fledermausartig .. Stoffe ausscheidend .. angefüllt mit dem Geräusch eines stetigen Rieselns .. dem schweren, süßlichen Geruch von Beeren und Zucker .. Ich kenne nichts Vergleichbares. In „Ladung“ (2005) wird eine Industriehalle zu einer Landschaft, in welcher ein leichter Regen aus feinem Zucker langsam aber sicher durch die immer aggressiveren Übergriffe der Performerin erst zu einem dichten Vorhang und schlussendlich zum stürzenden „Zuckerfall“ wird. In dieser Arbeit offenbart sich eine weitere, häufig wiederkehrende Geste Buchers: Das Öffnen eines hängenden Körpers/Behältnisses mit einem Stab oder einer Spitze. In „Ladung“ ist der Zucker in einem riesigen Sack am Kran der Industriehalle verwahrt und wird von Bucher unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft an einen Ort im Raum gezogen. Mit einem langen Stab, an dessen Ende sich ein spitzer Gegenstand, einem Bajonett gleich, befindet, löst die Künstlerin die Unversehrtheit des „Zuckerblocks“ auf und startet mit der Geste des Öffnens den Prozess der Performance. Der Zucker wird erst von seinem angestammten Leib (dem hängenden Sack) in Buchers Leib (den geöffneten Mund) überführt. Sie lässt die rieselnde Masse in ihren Mund fließen, bis ein „Zuviel“ an Süße sie würgen lässt. Zusätzlich bildet der rinnende Zucker vulkanartige Kegel am Boden. Ihr Würgen entzaubert die erste eindrückliche Schönheit: Etwas ist nicht in Ordnung. Bis sich Buchers Stechen und Bohren in einer völligen Zerstörung der Installation entlädt, durchläuft die Performance einen Prozess ständiger wiederkehrender Aggression gegen den hängenden Zuckersack, wobei jedoch immer wieder Bilder assoziativer Schönheit durch das unterschiedlich intensive Rinnen des Zuckers entstehen. „Süßer Regen“ (2001/03/04) offenbart dann vielleicht einen grundsätzlichen Widerspruch in der Wirkung von Buchers Performances, der sich als grundlegender Riss offenbart und gerade deshalb so fesselt: Erneut ist es ein riesiges Gazetuch, welches mit Zucker gefüllt wird und sich langsam kegelförmig zum Boden hin dehnt. Bucher legt sich darunter, scheint den weichen Zuckerleib zu liebkosen und löst durch ihr Streicheln einen zärtlichen Zuckerregen auf ihre dunkle Kleidung aus. Eröffnen sich hier nicht innere Bilder eines toten Leibes, der langsam von einer weißen Schneeschicht bedeckt wird? Dann schüttet die Künstlerin den intensiv roten Beerensaft in die Zuckermasse und wringt das Gazetuch mit ganzer Körperkraft. Die Gedanken angesichts der Bilder driften weiter hinab ins Dunkle: Es ist, als würden Därme gepresst, als würde Blut in dicken, schwarzen Schwallen auf den weißen Zucker rinnen. Vorbei ist es mit der süßlichen Schönheit des Anfangsbildes. Und genau dieser Bruch macht Bucher, Claudia;s performatives Werk so spannend: Sie bleibt nicht im Klischee einer weiblichen, „elfenhaften“ Person verhaftet, die schöne Bilder und Installationen mit spezifischen Verweisen auf weibliche Handlungsmuster und Materialien erschafft. Bucher geht weiter und führt auch den Betrachter an den Rand eines möglichen Abgrunds, in dem Dinge warten, deren Anblick einen schönen Traum in einen Alptraum verkehren können. Das ist die Kraft der Performance Art, die sich in Buchers Werk auf beeindruckende Weise spiegelt: Es bleibt nicht beim bloßen Schauen, zurückgelehnt und auf sicherem Terrain. Vielmehr greift Buchers performatives Experimentieren den ganzen Leib des Betrachters und schüttelt ihn emphatisch durch. Bilder ihrer Performances mögen verführerisch sein, in ihrer Komposition klar und mit ihrem zeichnerischen Werk verknüpft. Doch die Brüche und Kippmomente, in denen sich die Schönheit zum Ekel neigt, sind die Forderung, die den Betrachter tiefer in Bucher, Claudia;s Ideen und Handlungen zieht. Helge Meyer, 2007

Tags

vwg:declare 2005 Video 4:3

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Full spec

anderesformat
und Fotoserie
camera
Kuntner, Christian (Video); Anderhub, Georg (Fotos)
dauer
15 Min.
doctype
Dokumentation einer Performance/Aktion / Documentation of a performance/action
eventcurator
Günther, Monika; Schill, Ruedi
eventplace
Turbinenhalle Giswil, Giswil
festival
International Performance Art Giswil
function
Künstlerin
jahrgang
1971
medium
Video 4:3
performers
remark
sprache
deu