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Brief an Grossmutter
Tisch, Stühle, Spitzendecke: alles Requisiten eines Esszimmers, dem zentralen Treffpunkt einer Familie. Nur scheint sich in diesem Esszimmer nichts zu einer Einheit zusammen zu fügen. Indiz einer Familiengeschichte, in die sich Störungen eingeschrieben haben, mit halb versunkenen oder auftauchenden Erinnerungen, bruchstückhaft: das Spitzendeckchen zeigt sich plötzlich riesengross – aus Tonbändern gehäkelt. Der Tisch ist gar auf einer anderen medialen Ebene präsent und kreiselt in der schwarz-weiss gehaltenen Videoarbeit um sich selbst. Die Stühle scheinen den Raum zu transzendieren und stellen die Frage nach dem Versinken oder Auftauchen. Platz nehmen lässt sich nicht (mehr) ausser auf dem Einen, auf dem ein Körper in altem Gewand sitzt und Tonbänder verhäkelt. Das Tonband zieht sich durch einen beleuchteten Rahmen und ist mit den darin aufgespannten VHS-Bändern verwoben. Im überdimensionierten Rahmen liegt das mögliche Kleid der Grossmutter, das sie möglicherweise auf dem Originalbild getragen hatte. Es scheint vergittert, unerreichbar unter den gespannten VHS-Bändern.
Performance
In der Performance knüpfe ich, Künzler, Astrid;, wortwörtlich am Material an, verinnerliche Tonbandaufnahmen, umwickle mich und steige dann in den Rahmen wie in einen Ring. Das sensible dokumentarische Material und die Erinnerung lässt meinen Körper im Hier und Jetzt verlangsamen und ich verwebe mich, der Tonbandspur folgend, mit den VHS-Aufzeichnungen. Der Körper verbindet sich als Erinnerungsmaterial mit den VHS-Bändern, die meinen Körper je länger je mehr begrenzen und vereinnahmen. Gleichzeitig wird das Material nur noch über meinen Körper lesbar und mein sich einlassender Körper zerstört mit der Bewegung des Eintauchens das dokumentarische Material, das sich untrennbar um den Körper gelegt hat.
Zugleich vermag der Körper aber auch Momente entstehen zu lassen, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart kurz begegnen – etwa wenn ich durch das Verweben der Tonbänder zum Kleid vorgedrungen bin und mich auf diesem wie ein Embryo zusammen krümme. Oder wenn ich am Tonband ziehe, das soeben auf der anderen Seite verhäkelt wurde. Irgendwann reisst die Tonbandspur ab und somit auch die Nabelschnur. Der Loslösungskampf beginnt und Ende beim Ausstieg aus dem "Ring", der gleichsam Bett wie Grab oder Gefängnis sein kann. Die Entscheidung, ob ich mit den, den Körper beengenden, Bändern aussteige oder ob ich die Bänder abstreife oder abstreifen lassen (vom Publikum) wird im Moment bestimmt.
Additional
Erstmals als entwurf gezeigt am 27.12.2017 an der Explo in Luzern. Weiterentwicklung für Performance während der Ausstellung "Re:Sources" bei Kunst im Depot 2018. Wiederaufnahme für Performance am Tanzfestival Winterthur 2018.
Remark
"Brief an Grossmutter", installative Performance Künzler, Astrid;/Manuela Saurer (Fotos: Regula Lustenberger, unbekannt, Samuel Scherrer) 2017 - 2018
Tags
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Queries
References
Full spec
- anderesformat
- camera
- dauer
- 30 Min.
- doctype
- Dokumentation einer Performance/Aktion / Documentation of a performance/action
- eventcurator
- Nadine Schwarz, Tanzfestival Winterthur
- eventplace
- Theater am Gleis, Unsere Vogelsangstrasse 3, 8400 Winterthur / Kunst im Depot, Tösstalstr. 86, 8400 Winterthur
- festival
- Tanzfestival Winterthur 2019 / Kunst im Depot Performance-Day 2019
- function
- Performance-Künstlerin
- jahrgang
- 1970
- medium
- Fotos / Photos
- performers
- Künzler, Astrid
- remark
- "Brief an Grossmutter", installative Performance Künzler, Astrid;/Manuela Saurer (Fotos: Regula Lustenberger, unbekannt, Samuel Scherrer) 2017 - 2018
- schlagwort
- Genres:Theaterperformance;Themen:Familie;Themen:Heimat;Materialien:Biografie;Materialien:Erinnerung;Materialien:Textilien;Mittel:Körper als Material;Räume:Setting/Installation
- sprache
- deu