Durch die Wand
Die Werkstatt ist wie immer ziemlich ordentlich und sauber. Auf dem Holzbank liegen verstreut die einzelnen Teile eines Segelflugzeuges. Ich bewundere die schönen Formen, möchte es berühren und hochheben, getraue mich aber dann doch nicht. Alleine fürchte ich mich immer ein wenig hier unten. Dies liegt auch an dem schwarzen Loch das im hinteren Teil der Werkstatt in der Wand klafft. Ein langer Tunnel der in der Finsternis nach oben verschwindet. Ich male mir aus, wie ich am anderen Ende etwas hinein werfe und es dann unten in der Werkstatt heraus geschossen kommt. Oder noch besser, wie ich selbst durch das Loch rutsche und Pechschwarz unten wieder hervor komme. Von meinen Eltern weiss ich dass der Tunnel früher für den Transport von Kohle benutzt wurde. Ich bücke mich und schaue ob ich ein Licht am Ende sehen kann.
Ich bin im Tunnel. Langsam taste ich mich durch die Dunkelheit. Die Wände sind glatt und kalt. Ich taste mich vorsichtig den verwinkelten Gang entlang und gelange immer tiefer in die Wand hinein. Ich erkenne weit in der Ferne ein Licht welches das Ende des Tunnels und den Anfang eines neuen, mir noch unbekannten Raumes bedeutet. Dieser neue Raum ist offen für meine Fantasien und Träume. Er wandelt sich stetig, je nachdem was sich mein kindliches Gehirn ausmalt. Geschichten und Bilder die in vielen unterschiedlichen durchsichtigen Blasen vor mir entstehen. Hier richtet sich die Zeit nach meinen Vorstellungen. Mit meiner Fantasie formieren sich die Blasen stetig neu und somit auch der gesamte Raum. Ich stehe inmitten von mir geschaffenen Bildern, staunend und überrascht, über all die Möglichkeiten die sich mir eröffnen.
Basel, 2013