Einsamkeit / Loneliness

videocity.bs: 28.05. – 11.08.2019

Eine Kooperation von Andrea Domesle, Pro Innerstadt Basel, Congress Center Basel, GLOBUS Basel

videocity.bs experimentiert mit einem Transfer von Kunst ins Leben und von Leben in Kunst und möchte aufzeigen, wie sich beide gegenseitig beeinflussen. Der Einfluss des Alltags auf die Interpretation von Kunst wird durch die Besonderheiten und Eigenschaften der Standorte deutlich. Welche Herausforderungen bieten die Grösse des eBoard Congress Center Basel, die Schaufenster des GLOBUS Basel sowie die Basler Innenstadt? Wie wirken sich ihre Inhalte und Kommunikationsstrategien aus? Welchen Einfluss haben das quirlige Treiben des Messeplatzes und des Marktplatzes und der dichte Verkehr auf die Wahrnehmung der autonomen Kunstwerke?  

Als Kontrast zur Betriebsamkeit setzen die Kuratorinnen Andrea Domesle und Sophie Kauffenstein für die diesjährige Ausgabe von videocity.bs das Thema Einsamkeit. Sie haben Videos von Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer, Gregory Buchert, Dimension Émotionnelle, Paul Heintz, Luzia Hürzeler, Frantiček Klossner, Theres Liechti und Elodie Pong ausgewählt sowie Sebastian Mundwiler für eine ortsspezifische Neuproduktion eingeladen.

Die Videos zeigen unterschiedliche Fälle von Einzelgängertum: Personen, die allein und eher ziellos ihrem Tun nachgehen. Manchen gelingt es trotz Gestik, Mimik oder Sprache nicht, verstanden zu werden. Ihre Körper entfalten mitten unter uns ein auf sich bezogenes Sein. Einsamkeit kann zur Verwirrung, in Insolation, in absurde, gar lebensbedrohliche Situationen führen. Die Einzelgänger befremden. Einzig bei einem Soldaten fällt ein Mitgefühl leicht, sind es doch seine heimlichen Tränen, die ihn jenseits der Uniform als Mensch offenbaren. Man beginnt einen Grund für sein Weinen in der Welt, auf die er schaut, zu suchen. 

Durch das Aussetzen in belebter Umgebung erfahren die Werke eine Bedeutungssteigerung: Einsamkeit findet trotz der vielen Menschen, trotz der Informationsflut, trotz der edlen oder neuen Produkte statt. Die einsamen Situationen erscheinen noch trauriger, die tapfer sich abmühenden Einzelkämpfer wandeln sich zum Anti-Helden bzw. – laut Klischees – zur Superwoman. 

Zum videocity.bs-Experiment gehört, dass der Sound der Strasse die Tonspur bildet oder eine allfällige ersetzt. Zufälle des Alltags – bestehend aus Geräuschen und Spiegelungen – greifen in die Kompositionen ein; sie pointieren oder vermindern ästhetische Elemente und verschieben somit Aussagen der Künstler. Die Videos erscheinen in der Basler Öffentlichkeit in neuem Licht.

Die Videos wurden in Bezug zum Präsentationsstandort von den Kuratorinnen ausgewählt bzw. konnten von videocity.bs Dank Fördergebern in Auftrag gegeben werden. Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer und Sebastian Mundwiler haben extra neue und aussergewöhnliche Werke geschaffen. Die Kunstwerke kommentieren den Alltag und ermöglichen einen anderen Blick auf diesen.

Deutlich wird dies insbesondere im videocity.bs-Schaufenster des Globus Basel von Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer (leben in Genf/Berlin). Sie reagieren mit ihrer Gestaltung darauf, wie rund um Produkte Begehren dargestellt und welches Verhältnis zu ihnen eingenommen wird. GLOBUS Basel hat eine eigene Dekorationsabteilung. Die grosszügigen Schaufenster spielen seit den Anfängen des Unternehmens, seit dem Jahr 1892 eine wichtige Rolle. Das Künstlerduo konfrontiert das Warenhaus mit dem “Unboxing“-Phänomen, das im Internet verbreitet ist. Die Amateurvideos zeigen das Auspacken von Produkten, wobei diese von den einsam agierenden Unboxern wie beseelte Kultobjekte behandelt werden. Wie wird wohl die Mischung von Inszenierungspraktiken aus realer und virtueller Welt auf Passanten vor dem GLOBUS Basel wirken?

Ganz anders als in der Stadt ist die Wahrnehmung in der Mediathek der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Hier werden die Videos mit ihrer Tonspur gezeigt (zwei Drittel haben einen Ton). Es ist eine traditionelle Präsentationsweise mit Monitor, Kopfhörer und Sitzgelegenheiten innerhalb eines konzentrierten, ruhigen, stilvoll gestalteten Ambientes. Besucher können hier das videocity.bs-Experiment selbst nachvollziehen: Wer mag, kann den Unterschied zur Präsentation im öffentlichen Raum studieren und auf die Bedeutungsverschiebungen, die sich in Interpretationen des gleichen Werkes ergeben, sei es mit oder ohne Ton, sei es innen oder aussen, achtgeben. Dazu gibt es viele Bücher. Doch das Wahrnehmungsexperiment kann man nur selbst erleben!

Pressematerial DE

Press Material EN

Werke der Ausstellung

Videos des eBoard Congress Center Basel und in der Mediathek FHNW

Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer
“Flagman”, 2004
2:10 Min. (videocity.bs Version)
Gregory Buchert
“L’éclaireur”, 2015
9 Min.
Dimension émotionnelle
“Somniloquie du perroquet”, 2012
10 min. (short version) , HD Video
Luzia Hürzeler
“Die Forelle” (The trout), 2012
7:45 Min. (videocity.bs Version, 1-Kanal, 16:3, Split Screen)
Paul Heintz
“Le Soldat”, 2011
4:30 Min., ohne Ton

Frantiček Klossner
“Mess up Your Mind”, 2001/04
4 Min.
Theres Liechti 
“Superwoman”, 2017
4:19 Min., ohne Ton

Elodie Pong
“180 degree”, 2016
2:30 Min., ohne Ton

videocity.bs-Schaufenster des GLOBUS Basel

Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer
“Götter und Geister”, 2019
HD Video
4:10 Min. (videocity.bs Premiere)

Ortsspezifische Installation an den Medienfassaden der Neuen Messe, Halle Nord und Halle Süd, Messeplatz (2 LED-Bänder und 3 eBoards), ab 27.06.


Sebastian Mundwiler
“eppur si muove No. 3”, 2019
Loop (videocity.bs Auftragsarbeit)