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Revolving Histories (#bangbang-0640)

Im Fluss - ein Raumpoem für Hanna Walcher
(2007)

https://www.angelhaus.ch

„Im Zentrum der Rauminstallation steht die Stimme von Hanna Walcher, verteilt auf acht Lautsprecher im Raum. Aus jedem Lautsprecher sind ihre erzählten Lebensfragmente hörbar. Die verschiedenen Stimmen sind eine Art Erinnerungsspuren, die sich im Raum ausbreiten und sich zusammen mit den dazu abgemischten Tuba-Sounds von Leo Bachmann zu einer neuen Komposition zusammenfügen. Der Stimme von Hanna Walcher wird mit der Tuba ein musikalischer Partner an die Seite gestellt, so dass sie in der topografischen Dimension der 2000 m2 grossen Halle tragfähig wird. Je nach Standort des Zuhörers, der sich frei im Raum bewegen kann, ist die Perspektive auf die Lebensfragmente immer wieder eine andere. Die alte Spinnerei in Ziegelbrücke ist eine leerstehende Industriehalle. Durch den Raum ziehen sich drei Reihen à je 17 Säulen. Rundherum sind Fenster, durch die tagsüber Licht in die Halle dringt. Es ist ein aufgeladener Erinnerungsraum – eine Leerstelle in einem Stadium der Zwischenzeit. Durch das allmähliche Verschwinden des natürlichen Tageslichts und das suksessive Erscheinen von künstlich-installiertem Licht an den Stirnseiten des Raumes wird die Aufmerksamkeit auf bestimmte architektonische Strukturen gelenkt, so dass sich die normale identifizierende Wahrnehmung zugunsten einer neuen Verbindung von visueller und auditiver Wahrnehmung verändert. Wenn ich akustische Lebensfragmente sowie visuelle Lichtakzente in diesen Raum setze, bewirkt die Übertragung ein Wechsel vom abgeschlossenen Lebenswerk zum wechselwirkenden Geschehen, einen Wandel von der Hermeneutik zur Geografie, von den Geschichten zu den Schichten. Der Raum wird dadurch zu einer Topographie, die ich RAUMPOEM nenne, welches die Besucher*innen wie eine Landschaft „begehen“ können.“ Angela Hausheer
Additional
Handlungsanweisung für die Besucher*innen: Sie können sich während den nächsten 70 Minuten frei im Raum bewegen. Sie können gehen, stehen bleiben, sich anlehnen, auf einen Stuhl setzen...Sie können frei entscheiden, wann und wie lange Sie was machen möchten. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen! „Ein langer, ein sehr langer Raum mit ungezählten Fenstern, die durch die langen Jahre angetrübt dennoch warmes Abendlicht hereinlassen. Von 3 Reihen à 17 Säulen wird die Decke getragen, es entstehen vier Korridore. In den beiden mittleren davon sind Stühle verteilt, scheinbar zufällig ausgerichtet, jeder etwas anders, alle mit einem Lämpchen versehen, das von der Unterseite des Stuhls den Boden beleuchtet und einem bei zunehmender Dämmerung den Weg zu einer Sitzgelegenheit weist. Darauf sich ausruhend oder daneben stehend, dazwischen gehend oder dahinter vorbei schlendernd horchen die zahlreichen Besucher und Besucherinnen der Stimme von Hanna Walcher und der Tuba. Wenn man mit grossen Schritten den Raum durchmisst, von einem Ende zum anderen geht, setzt man ungefähr so oft den einen Fuss vor den anderen wie Hanna Walcher Lebensjahre verbracht hat. Die Tuba beginnt, den Raum mit Klängen auszumessen, ihre lang gezogenen Töne werden durch die an Säulen angebrachten Lautsprecher auf die Reise durch den Saal geschickt. Die Leute verteilen sich im Raum, horchen mal da, gehen mal dort vorbei, sitzen mal hier aufm Stuhl. Die Stimme von Hanna Walcher ist überall, aber nicht überall, wo man ist, hört man dasselbe. Man bekommt das mit, was zu dem Ort gehört, wo man zufälligerweise gerade sich befindet, nimmt eine mögliche Variante der Erzählung mit, hört Ausschnitte aus dem Leben einer Frau und gleichzeitig manchmal, anderswo, aber doch so nahe in demselben Raum eine andere Geschichte, die man auch gerne gehört hätte, jedoch nie schafft, ebenso genau mitzubekommen, während man den näher hörbaren Worten folgt. Der mehrstimmige Raum bricht die chronologische Zeitordnung auf. ‚Das Leben’ der Hanna Walcher ist nicht das, was wir hören. Es wäre vielleicht das, wenn wir alle Hörpunkte nacheinander hören könnten. Aber auch dann ist’s nicht vollständig, eine Lebensgeschichte kann eigentlich gar nie fertig sein, nie erschöpfend dargestellt werden. Immer nur sind es einzelne Bilder, die wir den anderen Menschen ausmalen, ausgesuchte Episoden von uns mit Lücken dazwischen. Und die Erinnerungen wandeln sich, gehen vergessen, tauchen wieder auf, sind ein unsicherer Überrest der Vergangenheit, sie haben ihre eigene Geschichte und ihre jeweilige Rolle im Leben eines Menschen. Je nach Zeitpunkt und Ort trifft man eine Wahl dessen, was man für erzählenswürdig oder wichtig erachtet. Wo man auch sitzt, gibt’s eine Geschichte, aber nie die ganze, nie das komplette Leben, sondern die eigenen Vorlieben für Stühle und Orte im Raum ergeben die Perspektive der Erinnerung an Hanna Walcher, die wir mitnehmen werden. Manchmal verfolgen wir die Lautsprecherechos im Raum, manchmal übertönt die Tuba einzelne Worte, die uns entgehen, die wir so gerne gehört hätten, aber zusammen mit den unbeantworteten Fragen in der Sphäre des Ungeklärten und Unerklärten bleiben, was notwendig jedes Leben ausmacht. Die Geschichte dieser Frau hat plötzlich mehr Protagonisten als sie selbst: den Raum, die Hörinstallationen an verschiedenen Orten, das sich bewegende Publikum, die Tuba. Wenn der Saal das lange Leben einer Glarnerin umfängt, befinden sich die Stühle jetzt, da die Tuba und die Stimme verstummt ist, wie kleine leuchtende Punkte im dunkel gewordenen Erinnerungsraum ihrer Geschichte. Gleichartige Stühle und doch immer anders hingestellt, die wiederkehrenden Situationen in 90 Jahren, aber doch jedesmal ein bisschen anders. Nach und nach waren die Leute im Dämmerlicht unschärfer geworden, glichen sich gegenseitig ein bisschen an, waren mit der zunehmenden Nacht nicht mehr so klar erkennbar mit allen Einzelheiten, geradeso, wie die Konturen der Erinnerung am Ende eines langen Lebens allmählich verwischen. Stützpunkte gibt es aber immer noch, einzelne Lämpchen und Wegmarken und Ruhestätten als sichtbare Orte im Raumpoem, als erinnerte Ausschnitte aus einem Leben, die das Publikum mitnehmen wird, jede Person ein bisschen anders.“ Tanner, Ariane; Historikerin
Im Fluss - ein Raumpoem für Hanna Walcher

place: Alte Spinnerei Ziegelbrücke
KuratorIn: Hausheer, Angela; Bachmann, Leo
Dokumentationstyp: Dokumentation einer Performance/Aktion / Documentation of a performance/action

Alternative
Fotoserie
Medium

Fotoserie (Reihenfolge am Ende vom Dateinamen benennen!) / Photo series (name sequence at the end of the file name!)
Dauer: 70:00