Streifenweise Selbstreflexion
(2021)

Am internationalen Tag des Küssens (06.07.2021) wurde das Performancekollektiv Kollabor von Mirzlekid aus seinem sechsjährigen Schlaf wachgeküsst, indem er seine Einladung ans Performancefestival perFORM! in Winterthur auf das Kollabor ausweitete. Kollabor entschied sich, mit Mirzlekids Spiegelstäben gemeinsam zu performen, worauf Mirzlekid für die Kollaborant:innen einen Spiegelstab in Körperlänge anfertigte.

Mirzlekid begrüsste die Zuschauenden, potenziell Mitperformenden sowie anwesenden Passant:innen und stellte das Konzept vor:

Die verschieden langen und dicken, sowie in der Form unterschiedlichen, mit Spiegelfolie ausgestatteten Stäbe dienen als Spazierstöcke für alle. Das Publikum ist eingeladen, damit, und mit Kollabor zu performen oder den Strassen entlang zu spazieren, weiter durch die Stadt, hinaus aufs Land und über die Berge. Oder das Publikum nimmt die Spiegelstäbe mit zur nächsten Veranstaltung, stellt sie dort vor die Türe und nimmt sie beim Weggehen wieder mit. Die Beteiligten können damit experimentieren, Licht reflektieren, Farben einfangen oder sich, andere und Anderes darin spiegeln. Die Spiegelstäbe sind Wanderstock, Vermessungsstab und Spiegel in einem. Weil die Spiegel an den Stäben aus Streifen bestehen, sieht man das Gespiegelte nur ausschnittsweise, in Streifen. Spazieren gehen oder Wandern ist selbstreflexiv. Die Spiegelstäbe können die Beteiligten darin unterstützen, in dem man sich und das Andere darin streifenhaft reflektiert sieht. Dadurch kann eine streifenhafte Selbstreflexion stattfinden. Nicht zuletzt verlangen auch die Covid-19 Schutzmassnahmen die Einhaltung eines Abstands von 1,5 Metern. Dieser kann mit den Spiegelstäben immer mal wieder unkompliziert und zeitnah überprüft werden. Die Stäbe sind 1,2 bis 2,4 Meter lang.

Die Performance Streifenweise Selbstreflexion besteht aus persönlich improvisierten Teilen, bei welchen auch das Publikum mitmachen kann, und kollektiven Intermezzi von Kollabor. Bei den persönlichen Improvisationen ist man frei, mit den Spiegelstäben zu experimentieren und performend Kontakt mit anderen aufzunehmen.
Die Kollabor-Intermezzi bestehen aus neun verschiedenen Abmachungen, von welchen Mirzlekid; Irene und Isabel je drei beisteuerten. Dies sind chorische Performance-Ideen für Kollabor zu dritt:

1: Knie (von Irene)
2: Mandala (von Irene)
3: Ballance (von Irene)
4: Tibeter (von Isabel)
5: Metronom (von Isabel)
6: Sprache («Zahlen» und «Messen» von Isabel)
7: Stäbe aufnehmen und in Laufrichtung wegkippen.. (Anfang und Schluss, von Mirzlekid)
8: Augenspiel (von Mirzlekid)
9: Schläfe (von Mirzlekid)

Die Kollaborant:innen können zwischen der freien Improvisation je nach Lust und Laune eine Zahl zwischen eins und neun rufen. Darauf findet sich Kollabor zusammen und führt die Abmachung aus: Bei Eins stellt sich Kollabor im Dreieck auf, alle gehen in die Hocke und halten je einen Spiegelstab als Distanzhalter zum/zur anderen und formen so ein Dreieck. Bei Zwei bilden die Kollaborant:innen mit den Stäben ein gleichschenkliges Mandala am Boden. Bei Drei ballanciert man seinen Spiegelstab auf dem Kopf. Bei Vier wird der Stab und die Körper als Messgeräte für den zu begehenden Strassenabschnitt gebraucht, indem man sich auf einer Weggeraden mehrmals hintereinander neben seinen Stab legt. Bei Fünf stellt man den Stock vor sich auf und lässt ihn synchron hin- und herkippen. Bei Sechs rezitiert man im eigenen Tempo dreissig mal hintereinander das Wort „Zahlen“ und vorher oder nachher dreissigmal das Wort „Messen“. Bei Sieben, der Zahl, die Gleichzeitig den Anfang sowie Schluss einer Performance markiert, nimmt man den am Boden liegenden Stab auf und kippt ihn in Laufrichtung weg, bzw. legt ihn für den Schluss ab. Bei Acht beobachtet man mit einem Auge unterschiedliche Reflexionen auf seinem Stab. Bei Neun stellt man sich in Stockdistanz seitlich zueinander auf und klemmt Stöcke der Länge nach zwischen den Schläfen ein.

Von den Anwesenden performten in Winterthur Ariane Tanner und eine zweite Frau eine Weile lang mit.