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Once Upon A Time

Format: 16:9
In einer intensiven und ausgedehnten Sequenz direkten Blickkontaktes erforscht Vladimir Mitrev die Themen Männlichkeit und Heldentum. Aus einer der seiner Meinung nach grossartigsten Szenen der Filmgeschichte, entlehnt Mitrev eine entscheidende Sequenz: diejenige, in „Spiel mir das Lied vom Tod“ von Sergio Leone aus dem Jahr 1968, in der der skrupellose Killer Frank und der mysteriöse Protagonist, „Mundharmonika“, einander tief in die Augen sehen bevor sie sich ein Duell um Leben und Tod liefern. Der Künstler übernimmt diese Szene, um die Wirkung und Intensität eines direkten Blickaustausches zu untersuchen. Auf diese Weise bricht er das Stigma der unnahbaren Männlichkeit und zeigt die immense Stärke der Verletzlichkeit auf.
In der Videoarbeit hält der Künstler über zehn scheinbar nicht enden wollende Minuten lang Blickkontakt mit dem Betrachter. Obwohl der Blick anhaltend ist, ist er sicherlich nicht in der Zeit angehalten: Das Videoformat betont die Dauer, indem wir sehen, wie die Augen des Künstlers ermüden, sich erholen und dann schliesslich tränen. Dennoch wirkt sein roher Blick im direkten Gegensatz zu dem kurzen Blickaustausch zwischen Frank und „Mundharmonika“ wie ein Akt bemerkenswerter Verletzlichkeit: Ein sich entledigen aller Rüstung und metaphysischer Barrieren, die ihn vor dem Betrachter schützen. Der einzige Unterschied zwischen Mitrevs und Leones Versionen ist die Dauer des Blickabtausches. Im Film wird der Blickkontakt für wenige, ergreifende Sekunden aufrechterhalten, in denen die ethischen und moralischen Positionen der Figuren hervorgehoben werden: Bei „Mundharmonika“ wir das Heldentum, bei Frank die Grausamkeit unterstrichen. Hingegen erlaubt es die schiere Länge von Mitrevs Version, dass die dem Blick innewohnenden Gewalt das Pathos des Betrachters untergräbt und in Macht des Zuschauers verwandelt. Plötzlich ist es nicht mehr nur ein Blick, der zwischen zwei Personen ausgetauscht wird, das aufgezeichnete Starr-Duell zeigt nicht mehr deren wahres Gesicht. Mitrevs langwierige Annäherung enthüllt die Macht, die der Beobachter über das Beobachtete hat und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das dazwischenliegende Aufnahmegerät, welches uns den Blick des Künstlers vermittelt. Indem sie dem fernen Betrachter Macht verleiht, drosselt die Kamera letztlich die traditionelle Machtdynamik des Blicks. Indem Mitrev seinen Blick hält, zeigt er viel Durchhaltevermögen und Stärke bei der Navigation durch eine sich verändernde Dynamik und definiert so unser Verständnis von Macht und Männlichkeit neu.
Die Augen galten lange Zeit als die Fenster zur Seele. Von der italienischen Renaissance her, die Zeuge von Leonardo da Vincis „La Gioconda“ 1506 und den einen verfolgenden Augen der Mona Lisa war, bis hin zu Salvador Dalí, der das Auge als surrealistisches Symbol für das Unsichtbare, das Ungesehene und – in Anlehnung an die Freud’sche Psychoanalyse – Unbewusste adaptierte, habe die Künstler stets darauf geachtet, das Auge darzustellen aber den Blick abzubilden. In Once Upon A Time setzt sich Mitrev mit diesem historischen Diskurs auseinander und spielt stark auf die postmodernistisch umgangssprachliche Synonymie des Auges mit Allwissenheit und Hellsehen an.
Mitrevs konfrontative Herangehensweise erinnert an diejenige des Pop Art Künstlers Andy Warhol, insbesondere an seine eindringlichen, drei minütigen, Polizeifoto ähnelnden Videoaufnahmen von Besucher*innen in seinem Studio, einer Serie von fast 500 Aufnahmen mit dem Namen „Screen Tests“ (1964-66). Für die Dauer des 100-Fuss-Bolex-Films bat Warhol seine Subjekte so still wie möglich zu sitzen, ja nicht einmal zu blinzeln, um die Wirkung der vermittelnden Kamera – die Wirkung der Dokumentation – auf die Kraft des Blickes hin untersuchen zu können. Mitrevs Film kann als geschnittener warholianischer „Screen Test“ interpretiert werden, der schliesslich darüber nachdenkt, was passiert, wenn man aufgefordert wird, der Stille nachzueifern, ein Bild von sich selbst zu projizieren und sich dem aufzuzeichnenden Blick der Kamera hinzugeben.
Alya Alawadhi (Übersetzung Michelle Sacher)
Ausstellungskopie
2016
https://hdl.handle.net/20.500.11806/med/10435


--- Präsentationshinweise

 videocity.bs beteiligt sich bei der „∑-Summe“-Aktion, bei welcher die unabhängigen Kunsträume in Basel sich im Jahr 2017 abgesprochen haben, das Medium Video im November in den Mittelpunkt zu stellen, um eine Vielfalt an Themen und Herangehensweisen vorzustellen. Ein Aufruf erging an die audiovisuellen regionalen Kunstschaffenden, Werke der letzten beiden Jahre einzureichen.  Die videocity.bs-Kuratorin Andrea Domesle hat aus den über 200 Einreichungen 5 Künstlerinnen und Künstler ausgewählt.
Obwohl unabhängig und eigentlich für einen Kunstraum entstanden, ist bei videocity.bs spannend zu erleben, welche Herausforderung die Grösse der elektronischen Werbetafel und der öffentliche Raum an die Videos stellen: Welchen Einfluss hat das quirlige Treiben des Messeplatzes auf die Wahrnehmung der autonomen Kunstwerke?  Das Leben verstärkt die Faktoren Bewegung und Raum in den Videos und dort, wo diese mit Ton komponiert sind, ersetzt es die ursprüngliche Tonspur.  Der Alltag lässt die Videos in neuem Licht erscheinen und umgekehrt, die Videos den Alltag.  videocity.bs wird einen Monat lang zum immateriellen Bestandteil des Messeplatz und regt zu Austausch, Verschiebungen von Ordnungssystemen, unerwarteten Blicken und Begegnungen an.


 --- Notes on Presentation

    videocity.bs is participating in the "∑-Sum" action, in which the independent art spaces in Basel have in 2017 simultaneously agreed to put the artistic medium of video at the centre of focus, in order to showcase a multitude of themes and artistic approaches. An appeal by "Summe" association was made to the audiovisual artists working in the region to put forward works completed during the last two years. videocity.bs curator Andrea Domesle has chosen 5 artists from out of the 200 applications. 
Although independently created and intended for an art space, it is exciting to witness during videocity.bs what challenges the large electronic advertising screen and the public space pose to the videos: What influence does the lively hustle and bustle on the Trade Fair Square have on the reception of these autonomous art works? The surrounding flow of life itself amplifies the factors of movement and space within the videos and wherever these have been composed with sound, the original sound track is substituted by noise from daily life. Everyday life allows the videos to appear in a different light and conversely the videos experience the different framework of today. videocity.bs is poised to become an immaterial daily component of the trade fair square once more, stimulating exchange, the displacement of interpretative systems, summoning unexpected views and encounters.

https://www.vladimirmitrev.com

--- EN

Under the title of “ ∑-Summe” five videos from five artists are brought together by the curator Andrea Domesle, format 16:9, 1-canal. The videos from Pascale Grau, Parvez Imam and Dirk Koy have a soundtrack, but during videocity.bs they are however shown without sound on the eBoard, so that the Basel city sound for once provide their unique sound track.
From 03.11. till 30.11.2017 the videos had been visible with certain exceptions on a daily basis from 8 till 24 hour, broadcast interspersed between the infos on the eBoard of the Basel Congress Center, Messeplatz 21, adjacent to the Swissôtel Le Plaza.


--- D

Unter dem Titel „∑-Summe“ sind fünf Videos, Format 16:9, 1-Kanal, gruppiert. Die Videos von Pascale Grau, Parvez Imam und Dirk Koy haben eine Soundspur, werden auf dem eBoard jedoch ohne Ton gezeigt, so dass die Stadtgeräusche ausnahmsweise den Sound bilden.
Vom  03.11. – 30.11.2017 wurden die Videos mit einigen Ausnahmen zwischen Infos auf dem eBoard des Congress Center Basel, Messeplatz 21, beim Swissôtel Le Plaza gezeigt. Täglich 8 bis 24 Uhr.


Artists: 
Matthias Aeberli, *1952, lives in Basel, matthiasaeberli.ch
Pascale Grau, *1960, lives in Basel, www.pascalegrau.ch
Parvez Imam, *1967, lives in Basel, www.parvezimam.net
Dirk Koy, *1977, lives in Allschwil, www.dirkkoy.com
Vladimir Mitrev, *1972, lives in Basel, www.vladimirmitrev.com

 

Technical Note:

Werktyp: Ausstellungskopie
Datenträger: HD Digital File
Audio: Ohne Ton
Dauer: 0:10:40
Farbe: Farbe
Aspect Ratio: 16:9

In an intense and prolonged sequence of direct eye contact, Vladimir Mitrev explores the themes of masculinity and heroism. Drawing from what he deems to be one of the greatest scenes in cinematic history, Mitrev borrows a crucial sequence from Once Upon a Time in the West, directed by Sergio Leone in 1968, where the ruthless killer, Frank, and the mysterious protagonist, gunman ‘Harmonica’, look deeply into each other’s eyes before dueling to the death. The artist appropriates the scene to investigate the intensity of the direct gaze. By doing so, he topples toxic masculinity on its head and exhibits the immense strength of vulnerability. 
In the video, the artist maintains eye contact with the viewer for over ten, seemingly excruciating, minutes. Despite being sustained, his gaze is certainly not suspended in time, as the video format emphasizes the duration by allowing the artist’s eyes to tire, well up, and eventually tear. Yet, his raw gaze, in direct contrast to the brief look exchanged between Frank and ‘Harmonica’, comes across as an act of striking vulnerability: a stripping of all armors and metaphysical barriers blocking him from the viewer. The only difference between Mitrev’s and Leone’s versions is the duration of the gaze. In the movie, the eye contact is sustained for a few, poignant seconds, during which the characters’ ethical and moral positions are highlighted: ‘Harmonica’s’ heroism is emphasized, while Frank’s cruelty is underscored. Meanwhile, the sheer length of Mitrev’s version allows the inherent violence of the gaze to subvert the pathos of the viewed and convert it into power of the viewer. Suddenly, it is not just a look exchanged between two people, the recorded stare-off is no longer broadcasting their true colors. Mitrev’s lengthy approach unveils the power the observer holds over the observed and brings our consciousness to the intervening recording device mediating the artist’s gaze. Empowering the distant observer, the camera ultimately throttles the traditional power dynamic of the gaze. Yet, by holding his stare, Mitrev exhibits great strength in navigating this shifting dynamic, redefining our understanding of power and masculinity.
The eyes have long been thought to be windows to the soul. From the Italian Renaissance, which witnessed Leonardo da Vinci’s La Gioconda (1506) and puzzled viewers with Mona Lisa’s tracking eyes, to Salvador Dalí who adapted the eye as a surrealist symbol for that which is invisible, unseen, and -in an allusion to Freudian psychoanalysis- unconscious, artists have consistently payed attention to portraying the eye and depicting the gaze. In Once Upon A Time, Mitrev engages with this historic discourse and heavily alludes to the eye’s post-modernistic colloquial synonymity with omniscience and clairvoyance. Mitrev’s confrontational approach is similar to that of pop artist, Andy Warhol, particularly to his invasive 3-minute mug-shot-like recordings of visitors at his studio, a series of almost 500 recordings he had titled Screen Tests (1964–66). For the duration of the 100-foot Bolex film, Warhol asked his subjects to sit as still as possible, even refrain from blinking, studying the effect of the mediating camera – the effect of documentation– on the power of the gaze. Recorded in a similar fashion, Mitrev’s film can be interpreted as a cropped Warholian ‘Screen Test’, one which ultimately ponders what happens when one is asked to emulate stillness, project an image of themselves and give into the camera’s recorded gaze.

Alya Alawadhi (Translation: Christopher Haley Simpson)
   

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2331508-6020
DateAdded
2022-04-13T13:31:06Z
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2024-06-17T13:50:36Z
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20.500.11806/med/10435
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