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Duftheimat

Ein Raum meiner Zuflucht, meines Ankommens und der Sicherheit war immer der Eingangsbereich im Wohnblock bei meinen Grosseltern in Vevey.
Betrat ich den Raum von draussen, ob bei strahlend warmen Frühlingswetter oder eisig kalter Winterluft, um schwallte mich sogleich ein betörendes Gemisch von verschiedenen Waschmitteldüften, dass ich so intensiv nur dort inhalieren konnte. Ich hielt jedes Mal freudig eine Weile inne, um den Duft zu geniessen und mich dabei mental auf den Besuch vorzubereiten, meinen Gedanken nachzuhängen oder einfach die Zeit anhalten zu wollen, um den Augenblick ewig lange geniessen zu können. Befand ich mich dann wieder in der Realität, blickte mich in jedem Lebens- und Wachstumsstadium immer mein Spiegelbild von der langen verspiegelten Wandfläche auf der linken Seite entgegen. Ich nahm sowohl die hinter mir liegenden dunkelgrünen Briefkästen war, als auch allfällige Spiegel- und Raumdekoration. Zur Winterzeit wurden jedes Jahr diese schrecklichen Sprühschneemotive wie Glöckchen und Mistelzweige durch Schablonen an alle gläserne Flächen, also den Eingangsbereich und die raumlange Spiegelwand, angebracht. Zusätzlich oft noch eine geraume Menge Lametta, Lichterketten und Christbaumkugeln, die über den Briefkästen um die Wette funkelten. Nur dort empfand ich diesen Kitsch als erträglich, er rief sogar heimelige Gefühle hervor.
Obwohl der Raum von Kunstlicht geflutet wurde, einen dunkel verwaschenen Altrosaton an den Wänden hatte, der durch die dunkelgrün umfasste Eingangstür seinen Kontrastpunkt erhielt, und mit einem kalten geschliffenen Steinboden ausgelegt war, trug er eine besondere Ästhetik in sich. Vielleicht weniger eine visuell sichtbare, als eine poetische, war er doch Sinnbild des Ankommens, Weggehens, von kurzen Unterhaltungen unter Nachbarn und Familienmitgliedern, kurzum ein gemeinsames (temporäres) Zuhause.
Basel, 2019